Wieso machen wir es den jungen Hunden so schwer...

Das Lernumfeld entspannt gestalten
...wenn es doch auch anders gehen könnte. Das ist mein Hauptanliegen an euch als HundehalterInnen: schafft für eure jungen Hunde – für die älteren natürlich auch – ein Lernumfeld, in dem für den Hund Lernen in einer positiven und entspannten Grundstimmung überhaupt möglich ist. Das ist die Seite des Hundes. Und du wirst sicher nicht überrascht sein, wenn ich dir sage, dass auch wir Zweibeiner nur in einem angepassten Lernumfeld entspannt lernen können.
Lernen findet immer statt und überall und ist mit einer Emotion verbunden
Lernen findet ja bekanntlich immer statt und ist kurz zusammengefasst das Aufnehmen, Verarbeiten und Integrieren von Umwelteindrücken. Was der junge Hund gelernt oder verstanden hat, zeigt sich im Verhalten, also an seiner Reaktionen auf und in seine/r Umwelt. Lernen beinhaltet immer eine emotionale Komponente. Das heisst, je angenehmer der Hund eine Lernsituation erlebt, desto eher ist er bereit oder motiviert, das Erlernte oder Erfahrene zu wiederholen.
Mach dir Gedanken zu deinem optimalen Lernumfeld
Ueberleg doch kurz, wie eine für dich positive, sprich: zielführende Lernumgebung ausschaut. Gehst du in ein Café mit Menschen am Nachbartisch, die dich womöglich in ein Gespräch verwickeln und dich ablenken oder suchst du dir eher einen ruhigen Ort, wenn du dir neues Wissen aneignen möchtest? Kreierst du dir einen Lernort, wo du dich wohlfühlst und dich auch gerne dort aufhältst? Wie schaut dein optimaler Lernort aus?
Und nun erinnere dich bitte kurz an Lernsituationen, die bei dir eine sehr positive Erinnerung hinterlassen haben. Und du auch heute noch auf die dort vermittelten Inhalte zurückgreifen kannst.
Suche die Lernsituationen für dich und deinen Hund angepasst aus
Wollen wir unserem Hund die Möglichkeit geben, mit Freude und ohne Stress neue Inhalte aufzunehmen, ist es unsere Verantwortung, das Umfeld entsprechend auszuwählen und zu gestalten.
Hier ist noch anzufügen, dass ein lebendiger Organismus IMMER lernt. Lernen bedeutet ja nicht nur, sich Wissen anzueignen. Lernen findet auch auf einer unbewussten, emotionalen Ebene statt. Das heisst im Umkehrschluss: jedem neu erlernten Verhalten liegt auch eine Emotion zu Grunde. Und diese Emotion bestimmt zu einem grossen Teil unsere Motivation, was für ein Verhalten abgerufen und gezeigt wird.
Was soll dein Hund genau lernen?
Im Weiteren stellt sich die Frage, was unser junger Hund lernen soll. Gehst du mit deinem Welpen oder Youngster in ein ihn ( und mit Sicherheit auch dich) überforderndes Lernumfeld, da zu viele Reize und dadurch zu viel Stress, wird er mit Sicherheit auch Lernerfahrungen machen; leider keine positiven.
Ein Blick in den (Hundeschule)Alltag
An dieser Stelle ein praktisches Beispiel dazu: Ueben der Leinenführigkeit in einer Junghundegruppe. Meine erste Frage an dich: kann dein Hund schon an der lockeren Leine gehen, wenn ihr alleine unterwegs seid? Und bist du schon in der Lage, die Leine so zu handhaben, dass sie immer locker an deinem Hund häng und du dieselbe nicht als Haltervorrichtung benutzt?
Auch wenn du als erfahrene und versierte Hundehalterin über ein tolles Leinenhandling verfügst, bleibt da immer noch der Faktor Hund. Auch wenn dein junger Hund mit sehr wenig Ablenkung an der lockeren Leine gehen kann, weil du das kleinschrittig aufgebaut und trainiert hast, muss es ja nicht gerade ein Quantensprung sein, sprich: in eine Junghundegruppe zu gehen, wo das Reizumfeld mit Sicherheit dazu führt, dass Dein Hund an der Leine zerren wird. In Tat und Wahrheit schaut es leider noch viel krasser aus.
Eine Ueberforderung ist für beide Enden der Leine anstrengend und frustrierend
Du liest auf der Hundeschulwebseite: Wir arbeiten nur mit positiver Verstärkung ( positiv ist immer gut!) und erlebst dann das Gegenteil. Junghunde hechten in und ziehen an den Leinen, viel zu viel Aufregung und viel zu viele und zu grosse Reize treffen auf einen noch nicht ausgebildeten jungen Hund. Du denkst jetzt, alles halb so wild. Ich sage dir, noch viel wilder als du denkst. Vor allem sehr ungerecht dem Hund gegenüber.
Wenn das Loben weniger oft vorkommt als das NEIN sagen
Wenn eine Hundeschule ausschliesslich mit positiver Verstärkung arbeitet, was ich sehr begrüsse, MUSS das Lernumfeld adaptiert werden, damit der Hund auch Lernerfolge verbuchen kann zusammen mit seinem Menschen. Wenn ich auf einem Hundeplatz in einer klassischen Junghundegruppe mal alle NEINS zusammenzähle, komme ich auf viel mehr Negatives als Positives. Und die nonverbalen Restriktionen wie, ziehen am Halsband oder Gschtältli, habe ich noch gar nicht aufgeführt.
Zuviele Aussenreize überfordern das junge Gehirn nachhaltig
Eingangs habe ich die Relevanz einer ruhigen Grundstimmung erwähnt. Von dem bleibt dann effektiv nicht mehr viel übrig. Ich denke, dieser Gruppenhype, im Sinne von: mein junger Hund muss lernen, mit Ablenkung klar zu kommen und dazu braucht er möglichst viele andere Hunde, hat echt ziemlich Schaden angerichtet. Ein sich entwickelndes Gehirn wird mit Aussenreizen bombardiert, es verschalten sich ganz viele neue erregende Synapsen, die man später mühsam wieder stilllegen muss.
Ganz nach Paul Watzlawick
Analog Paul Watzlawicks 1. Axiom: man kann nicht NICHT kommunizieren, gilt: man kann nicht NICHT lernen. Lernen findet immer statt, 24h am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Und auch das 2. Axiom lässt sich leicht auf das Lernen adaptieren: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt genauso wie jedes Lernen einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt hat. Und ich füge hier gleich noch einen Satz an: Jede Kommunikation ist eine Lernerfahrung und jede Lernerfahrung beinhaltet Kommunikation.
Schaff Situationen, die dein Hund mit Freude und Zuversicht bewältigen kann
Mensch besinne dich, sei fair und gib deinem jungen Hund eine reelle Chance, erwünschstes Verhalten ganz oft zeigen zu können. Natürlich könnte ich hier jetzt eine andere Diskussion auftun, was denn aus Menschensicht erwünschtes Verhalten ist. Der Mensch wünscht sich DAS VERHALTEN vom Hund.
Und wieder mal eine Gretchenfrage
Also die Gretchenfrage: was ist erwünschtes Verhalten aus Hundesicht? Was wünscht sich der Hund vom Menschen? Auf alle Fälle sicher Fairness, Verständnis, Einfühlunsvermögen, bewältigbare Aufgabenstellungen, seine Bedürfnisse befriedigen dürfen, Freude und viel viel Lob, Anerkennung und Ermunterung.
In diesem Sinne:
«Freude am Lernen passiert nicht zufällig.»