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Tiergestützte Ergotherapie – eine kurze Einführung

Heute möchte ich dir meine tiergestützte therapeutische Arbeit an einem Fallbeispiel näherbringen. Da ich ausschliesslich mit Hunden arbeite, handelt es sich um hundegestützte Ergotherapie.
 
Als Ergotherapeutin setze ich seit 16 Jahren meine Hunde als Co-Therapeutinnen auf vier Pfoten in der Ergotherapie ein und seit einiger Zeit auch im hundegestützten Coaching. Mein Fachbereich ist Psychiatrie und wir sind im Lebensumfeld der KlientInnen unterwegs.
 
In der Ergotherapie arbeiten wir mit Zielsetzungen. Je nach Zielsetzung und Indikation macht es Sinn, tiergestützte Interventionen in den Therapieprozess einzuplanen.
 
Wichtig: Das Wohl des Hundes hat im tiergestützten Einsatz oberste Priorität.
 
Damit die tiergestützte Ergotherapie etwas anschaulicher wird, ein Fallbeispiel in Kurzversion dazu:
 
Fallbeispiel (abgeändert aus Datenschutzgründen): soziale Ängste im öffentlichen Raum
Frau Muster hat Angst, sich unter Menschen zu begeben und fühlt sich körperlich und psychisch sehr unwohl. Alleine schon der Gedanke, in ein Einkaufsgeschäft oder in ein Restaurant zu gehen, bringt ihr System in Stress. Deshalb meidet sie solche Situationen. Was zur Folge hat, dass ihr Handlungs- und Erlebensspielraum stark eingeschränkt ist.
Frau Muster leidet sehr darunter und ihr Wunsch ist, ihre Angstthematik mit ergotherapeutischer Unterstützung zu bearbeiten.
Im Erstgespräch stellt sich heraus, dass Frau Muster eine grosse Affinität zu Hunden hat. Sie hat selbst keinen eigenen Hund, möchte aber gerne in der Ergotherapie mit Hilfe der Hunde einen Umgang mit ihrer sozialen Angst finden und dadurch ihren Handlungsspielraum nach und nach vergrössern.
 
Therapieprozess in Kurzform
Zu Beginn der Therapie waren wir mit den Hunden in ländlicher Umgebung unterwegs. Frau Muster übernahm jeweils die Verantwortung für einen der Hunde. Zuerst nahmen wir uns den Themen «Beziehungsaufbau» sowie «Sicherheit und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten» an. Sich auf ein Gegenüber, also auf mich als Therapeutin und in diesem Fall auch auf «ihren» Hund einzulassen, ist Voraussetzung für ein gelingendes und vertrauensvolles Miteinander. Ein selbst-sicheres Auftreten und eine klare innere Haltung ermöglichen, dass der Hund sich am Menschen orientieren und sich ihm anschliessen kann.
 
Die innere und äussere Haltung von Frau Muster veränderte sich im Verlauf des therapeutischen Prozesses. Durch das Führen eines Hundes musste sie ihren Blick in die Umwelt richten, um vorausschauend handeln zu können. Nur so konnte sie «ihrem» Hund Sicherheit vermitteln und ihm Vertrauen geben.
 
Nach einiger Zeit war Frau Muster bereit, sich gemeinsam mit mir und «ihrem» Hund in die Stadt zu begeben. Durch die Aufgabe, für «ihren» Hund verantwortlich zu sein, sind die sozialen Ängste situativ etwas in den Hintergrund getreten.
 
Sehr spannend zu beobachten war, dass Frau Muster sich mit fremden Menschen, welche sie öfters auf den netten blonden Hund angesprochen hatten, auf ein kurzes Gespräch einlassen konnte. Der Fokus des Gegenübers lag weniger bei ihr, sondern mehr beim Hund. Das wiederum erleichterte ihr die Gesprächssituation.
 
So suchten wir uns mit der Zeit immer schwierigere Übungsfelder wie Buchhandlungen (dort dürfen Hunde mit), Restaurants, grössere Einkaufszentren, Bahnhofsgebäude etc. aus. Im Verlauf der Therapie übten wir die Situationen natürlich auch ohne Hund als Unterstützung.
 
Kleiner Nachtrag: Frau Muster hat heute selbst einen kleinen Hund, der mit ihr auf vier Pfoten durchs Leben und den gemeinsamen Alltag geht.
 
Anmerkung: Der Therapieverlauf ging über einige Monate. Die Handlungsschritte hatten wir jeweils zusammen besprochen und angepasst.
Es kann sein, dass sich ein Mensch mit einer sozialen Angst noch «sichtbarer» fühlt, wenn ein Hund dabei ist, als ohne Hund. Die jeweilige persönliche Situation und Befindlichkeit müssen deshalb genau erfasst und evaluiert werden.
 
Ich hoffe, du hast einen kleinen Einblick erhalten in den grossen und vielfältigen Bereich der tiergestützten Ergotherpie.
 
Herzlich!
Bea mit Panda und Wendy und Devi und Leela in Erinnerung als meine langjährigen Co-TherapeutInnen auf vier Pfoten.
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