
Die Rassewahl kommt erst an zweiter Stelle
Der erste Gedanke oder die wichtigste Überlegung überhaupt ist nicht die Frage nach der passenden Rasse für die zukünftige Beschäftigungsvariante. Auch nicht, ob der Hund ein antiallergenes Haarkleid hat, sich als Therapiehund eignet, aus dem Tierschutz kommt oder aus einer Zucht.
Die allerwichtigste Frage ist die folgende: «Habe ich die Möglichkeit, dem Hund ein Leben zu bieten, das an meiner Seite stattfindet?»
Damit meine ich tatsächlich, dass der Hund seinen Menschen im Alltag begleitet. Sei es, dass dieser den Hund mit zur Arbeit nimmt oder sie den Tag zusammen zu Hause als Familie oder im Homeoffice verbringen.
Hundehorte gibt es mittlerweile wie Sand am Meer
Wenn ich Begriffe wie Hundehort, Hundehüte, Hundegassiservice oder ähnliches eingebe, läuft mein Laptop heiss und spukt seitenweise entsprechende Angebote aus. Selbst wenn ich die Suche auf meinen Wohnort beschränke, reicht eine Bildschirmseite nicht aus, um alle auf einen Blick zu sehen. Also scrolle ich mich durch. Mein Laptop spiegelt im Kleinen, was da draussen im Grossen stattfindet.
Die Nach-Corona-Zeit ist DIE Geburtsstunde der Hundehorte
Auf unseren Spaziergängen trafen wir vor Corona ab und an eine Hundesitterin oder einen Hundesitter – sorry, korrekterweise sagt man DogwalkerIn oder Hundebetreuungsfachperson. Heute sehe ich täglich mehrmals grosse Hundegruppen mit einer oder zwei Personen durch die Gegend traben oder preschen. Und ehrlich gesagt sehr selten eine Gruppe, zu der ich meine Hunde mit einem guten Gefühl hingeben würde.
Das Geschäft mit den Hundehorthunden läuft wie verrückt
Einen Hundehort aufzumachen ist offensichtlich DAS Business der Nachcorona-Zeit. Man rechne kurz mal durch: zwanzig Hunde multipliziert mit 60 Franken am Tag. Das lohnt sich allemal. Die drei Wochen Ausbildung sind schnell absolviert, ein Auto mit ausreichend Hundeboxen ausgestattet: «Eins, zwei, drei, fertig ist die Hundehüterei.»
Wieso einen Hund kaufen, wenn man keine Zeit hat?
Was mich umtreibt, ist die Frage, weshalb man einen Hund kauft, wenn man den ganzen Tag ausser Haus ist und den Hund zur Arbeit nicht mitnehmen kann. Abends ist man dann sowieso zu müde und der Hund im Hort gut ausgelastet (ihr wisst schon, mein persönliches Unwort). Dafür holen wir dann am Wochenende alles nach, was unter der Woche an Beschäftigungen oder Auslastungen nicht hat stattfinden können.
Die HundehalterInnen werden zu Wochenendhundeeltern, dann planen sie das volle Programm. Ganz egal, ob der Hund mal eine Pause braucht von den anstrengenden Hundehorttagen unter der Woche. Genau, das Hortleben ist in erster Linie ermüdend mit all den Hunden und dem Beschäftigungsprogramm.
Meine ehrliche Meinung zu diesem Familienmodell: Das ist ein reiner Egotrip des Menschen, um am Wochenende sein Bedürfnis nach Kuscheleinheiten und Aktion in der Natur zu befriedigen. Der Hund als Freizeitobjekt anstatt als Partner an der Seite seines Menschen.
Es gibt auch Situationen, wo es sehr sinnvoll ist, den Hund in eine sehr gut geführte kleine Hundegruppe zu geben
Natürlich gibt es auch die Variante, deinem Hund einen halben oder einen ganzen Tag in der Woche ein Zusammensein mit Hundefreunden in derselben Gruppenzusammensetzung zu gönnen. Vorausgesetzt natürlich, dass die Fachperson über ein breites und fundiertes Fachwissen verfügt, die Hunde in ihrer Sozialkompetenz fördert und genau weiss, wo sie sich allenfalls unterstützend einbringen muss.
In diesem Fall geht es weniger darum, den Hund unter der Woche «auszulagern», sondern dem Hund eine Möglichkeit zu bieten, kontrolliert in einer kleinen, gut geführten Gruppe Freundschaften zu pflegen. Und mit einer kleinen Gruppe meine ich bis höchstens sechs Hunde pro Fachperson. Sicher ist es auch wichtig, einen guten Platz zu haben, den der Hund bereits kennt und wo er sich wohlfühlt, wenn man alleine für den Hund zuständig ist und krankheitsbedingt oder aus einem anderen Grund ausfällt – oder für sich selbst einen hundefreien Tag möchte unter der Woche.
Ich vertrete eine ganz klare Haltung: «Kauf dir keinen Hund, wenn du nicht die Möglichkeit hast, für ihn zu sorgen». Ein Hund ist ein soziales Wesen, das am liebsten mit seinem Menschen zusammen ist und der seinen Alltag nicht im Hundehort verbringen möchte.
In diesem Sinne:
«Es gibt für alles im Leben den richtigen Zeitpunkt. Auch für den Einzug deines Freundes auf vier Pfoten».