
Wir – also stellvertretend ich – grüssten freundlich für uns alle. Die zwei Frauen blieben stehen und die eine meinte: «Die folge denn guet!» Auf Hochdeutsch in etwa die Übersetzung dazu: «Die gehorchen aber gut!»
Natürlich war das als Kompliment an uns gedacht, respektive an meine Kompetenz, den Hunden einen so tollen Gehorsam beizubringen. Genau, denn gehorchen hat mit Gehorsam zu tun.
Erinnerst du dich an solche Killersätze aus deiner Kindheit?
Kannst du dich auch an diesen Verwandten-Killer-Satz aus deiner Kindheit erinnern? Tante Berta oder Onkel Fritz ermahnen dich beim Abschied von einem Besuch bei ihnen: «Blibsch ganz brav und folgisch aber dim Mami, gäll?». Übersetzung: «Du bleibst schön artig und gehorchst deiner Mutter, nicht wahr?»
«Folge» ist eben nicht gleich «folgen»
Etymologisch gesehen hat folglich das schweizerdeutsche Wort «folge», nichts mit dem schriftdeutschen Wort «folgen» zu tun. Letzteres bedeutet synonym: «Hinter jemandem oder etwas hergehen». Die Spaziergängerinnen von heute Morgen haben sicherlich nicht gemeint, dass die Hunde so toll hinter mir hergehen, sondern wie toll sie gehorchen.
Wo genau ist mein Problem?
Nun fragst du dich, wo denn mein Problem ist. Als Problem würde ich es nicht bezeichnen. Was mir aber einmal mehr bewusst wird bei solchen Äusserungen, ist die Haltung vieler Menschen den Hunden und auch anderen Tieren und Menschen gegenüber. Da gibt es einen Befehlsgeber und einen Befehlsempfänger. Die Hierarchie ist somit geklärt.
Übereinkunft und Regeln anstatt Gehorsam und Drill
Sehr gerne hätte ich den beiden Frauen erläutert, dass meine Hunde von sich aus zu mir kommen, wenn wir Passanten begegnen. Dass wir eine Übereinkunft haben und dass wir als Team unterwegs sind. Es gibt Regeln, die wir alle so gut es geht einhalten. Aber es gibt keine Befehle und keine Unterordnung.
Es gibt Signale, mit denen wir uns verständigen. Wir pflegen einen freundlichen Umgang miteinander.
Wertschätzung für ein schönes Miteinander
Wenn ich einem Mensch-Hund-Team begegne, das höflich und freundlich an uns vorbeigeht – also auch der Mensch – freue ich mich darüber. Sollte ich eine Bemerkung machen, dann wäre es in etwa diese: «So schön, wie ihr zusammen unterwegs seid». Oder: «Ich freue mich zu sehen, wie dein Hund dir vertraut.» Oder: «Dein Hund ist so motiviert, zu dir zu rennen, was für eine Freude.» Oder: «Toll zu beobachten, wie sorgfältig du im Handling mit der Leine bist und wie achtsam du mit deinem Hund umgehst.»
Eine Beziehung auf Augenhöhe ist gefragt
Mein grosser Wunsch für alle Lebewesen: «Weg von diesem ganzen Gehorsamsdrill, hin zu einer Beziehung auf Augenhöhe, wo alle ein Mitspracherecht haben.» Viele reden von Bindung und Beziehung, sind im Kopf jedoch nicht selten in einem Hierarchie- und Leitwolfdenken gefangen. Aus Angst, nicht ernstgenommen zu werden von ihren Vierbeinern? Frage: «Nimmst du ein Gegenüber ernst, wenn der sich aufführt wie der Oberbefehlshaber?» Wenn, dann vermutlich nur aus Angst vor den Konsequenzen. Mit einer sicheren Bindung und einer wohlwollenden Beziehung hat das herzlich wenig zu tun.
Hunde verstehen Regeln und Übereinkünfte genauso wie du
Hunde verstehen Regeln und Übereinkünfte genauso wie du. Und genauso wie du möchten sie diese Regeln und Übereinkünfte auf eine faire und nette Weise lernen. Sprache ist mächtig und Sprache entscheidet darüber, wie wir schliesslich handeln und unsere Handlungen bewerten. Entscheide dich so, dass du bei dir selbst gerne Hund sein möchtest und es sich für dich gut anfühlen würde.
In diesem Sinne:
«Wenn du «folgen» möchtest, dann nur deinem Herzen, deiner Intuition und deinem Verstand».